Im nächsten Leben


 

Wenn ich das Ungelebte dieses Lebens sehe,

dann folgt daraus, dass ich beim nächsten Mal

zum Voll-Mensch strebend mir ne andere Richtung gebe,

dass ich dann treffe eine andere Werte-Wahl.

 

In meinem nächsten Leben will

ich mehr Person sein, mehr Persönlichkeit.

Gelebt hab ich genug des Eins-Seins Frieden;

nun bin ich auch zum Zwist der Zwei bereit.

 

Ich will nicht kleinlich vorsichtig besorgt sein.

Die Ängstlichkeit verhindert, groß zu leben.

Vernünftig denkt nur eine Krämerseele.

Die rechnet, hält zurück, kann nicht frei geben.

 

Ich will an jedem Tag vier Leben leben,

will erst hoch lodern und dann rasch verglüh'n.

Auch Schwierigkeiten will ich nicht mehr scheuen.

Auch was nicht leicht fällt, lohnt, mich zu bemühen.

 

Ich will mich auch vor Anstrengung nicht drücken,

mich nicht beschränken auf nur leichtes Spiel,

dass rund läuft, ohne Kanten, Ecken,Tücken,

was mir durch Glück gegeben einfach zufiel.

 

Ich will vor Schwierigem nicht mehr ausweichen,

will, was mich richtig fordert, sogar suchen.

Ein starker Krieger wird man nicht durch gnäd'ges Glück.

Ich will nicht immer nur das "Traumschiff" buchen.

 

Ich will auch mal durch dicke Bretter bohren,

was ich in diesem Leben gar nicht musste,

weil ich durch Einfallsreichtum, klug-geschickt,

ein dünnes Holzstück stets zu finden wusste.

 

Ich will mich gern in jeden Wettkampf stürzen,

in jedem meine volle Kraft einsetzen.

Doch will ich darauf achten, fair zu bleiben.

Um zu gewinnen, will ich nicht verletzen.

 

Ich muss ja nicht streitsüchtig gegen alle werden,

muss mich ja nicht bei jedem Anlass fetzen.

Doch will ich sagen dann, wenn es sich lohnt:

"Hier will ich mich mal auseinandersetzen."

 

Doch leicht wird aus Ergreifen Sich-Einmischen

ins Leben anderer, das nicht mir gehört.

Ihr Leben will ich sie gestalten lassen,

nur tun, was sie nicht notlos stört.

 

Ich will mich nicht mehr weigern, mitzuspielen.

Doch alles mitzumachen, das ist Selbstverrat.

Mir selber treu will ich mich nicht verbiegen lassen.

Ein fauler Kompromiss ist keine Ruhmestat.

 

Ich will nicht mehr ein Spielverweigerer sein.

Doch will ich nicht vereint im Trüben fischen,

will nicht mit Lügnern und Betrügern sitzen

im Gaunerclub an reich gedeckten Tischen.

 

Ich will verbunden sein, auch selbst stark binden,

doch nicht gewaltbereiten Bünden Treue schwören.

Wo Massen pöbeln, soll mich niemand finden.

Ich muss nicht überall dazugehören.

 

Erhöhter Einsatz hat notwendig einen Preis.

Den will ich zahlen, will ihn nicht vermeiden:

Person-Sein bringt mehr Tränen - auch

der Freude, nicht allein der Leiden.

 

 

 

 

Muss ich denn dazu auf das nächste Leben warten?

Wer sich selbst ändern will, kann das zu jeder Zeit.

Ich will schon jetzt in eine neue Richtung starten -

zu mehr Person-Sein, mehr Persönlichkeit.

 

Ich kann dies Leben nicht mehr neu anfangen,

mit neuer Haltung jedoch jeden Tag.

Dann kann ich wohl nicht mehr ans Ziel gelangen,

doch auf dem Weg geh'n, den ich neu einschlag.

 

 

Publiziert am: Mittwoch, 10. August 2022 (314 mal gelesen)
Copyright © by Rudolfo Kithera

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