Worms



 

Im Einklang hörtest du das Lied der Christenheit,

doch auch der Zwietracht und des Zwiespalts schrillen Ton.

In deinen Mauern sahst du oft die Kraft der Einigkeit,

doch auch Verfall und Schwäche als der Trennung Lohn.



Schon Karl der Große weilte viel in dir.

Du warst wohl einer seiner Lieblingsorte.

Selbst seine Hochzeit feierte er hier.

Auch später hörtest du oft Herrscherworte.


 

Doch bist du auch die Stadt von Zwist und Streit,

an dessen Ende jeder weint und keiner lacht,

der Kopf und Herz verwirrt, durch Hass entzweit,

ein Racheengel schnell erneuten Kampf entfacht.


 

Der Zwist der -hildes war ein Quell von Leid.

Die Nibelungen gingen in die Falle.

Erwachsen nur aus Eitelkeit und Neid,

führte der Streit der Zwei zum Tod für alle.



Es tagte oft in dir geeint des Reiches Macht.

Von hier gebot der Kaiser allgemeinen Frieden,

von ihm mit starker, strenger Hand bewacht.

Doch wurden auch hier Geist und Welt geschieden.


 

In dir begann und endete das wütige Sich-Fetzen,

das zwischen Papst und Kaiser ablief um das Recht,

die Kirchenfürsten auf den Bischofsstuhl zu setzen.

Dass sie sich heftig stritten, war für beide schlecht.


 

Es machte keinen Sinn, sich zu bekriegen.

Da Geist die Welt braucht, Welt die Geistesmacht,

konnten sich beide Kräfte ja gar nicht besiegen.

Sie haben sich nur selbst geschwächt durch Bann und Acht.

 

 

In dir sprach Recht das höchste Reichsgericht.

Der Reichstag gab Gesetz, das alle band.

Doch widersprach ein Mönch hier vor des Richters Angesicht:

"Ich hör' allein auf Bibelwort - und prüfenden Verstand."


 

Es flammte auf des eigenen Glaubens Licht.

Die Kunde davon flog schnell übers Land.

Es sagte Luther kühn: "Ich widerrufe nicht".

Schon bald entstand daraus ein Weltenbrand.

 

 

Du bist also die Stadt der Eins und auch der Zwei,

wo man einstimmig ruft und wo man widerspricht.

Nur selten fandest du Erlösung in der Drei,

die eins und zwei ist, und zugleich auch nicht.




PS:

Das Handeln Luthers zeigt uns nebenbei:

Die Eins ist nicht stets besser als die Zwei.

Die Menschen, die sich immer willig fügen,

sind doch als einfältige Mitläufer zu rügen.


Es ist nicht richtig, immer "Ja" zu sagen.

Manches muss man bei manchen auch verneinen.

Nicht alles darf man glauben, muss zu fragen wagen.

Manchmal muss man (sich) trennen, kann nicht alles einen.






 

Publiziert am: Montag, 02. März 2020 (949 mal gelesen)
Copyright © by Rudolfo Kithera

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