Solang' du suchst, kannst du nicht finden

 

Wenn du, weil sie entlaufen sei,

im dichten Waldgestrüpp die Kuh suchst,

die immer noch daheim im Stall steht,

dann wirst du sie nicht finden.

Vergeblich irrst du nur umher im fremden Land,

strengst dir nur sinnlos deine Augen an.

Du kannst die Kuh ja gar nicht finden,

solange du sie suchst, sie in der Ferne suchst.

 

Such' nicht die Brille,

mit der du siehst!

Such' nicht die Schuhe,

mit denen du läufst!

 

Wenn noch mal kehrt zu mir das Glück zurück,

mich das verlorene Finden wieder findet,

dann will ich treu nun endlich bei ihm bleiben,

mich nicht mehr - fahrlässig, leichtfertig, eigensinnig

von seiner Hand los reißen, die mich sicher hält,

um es zu suchen anderswo im Suchen,

wo stilles Ruh' n im Frieden nicht zu finden ist.

Der Frieden findet sich allein im Hier und Jetzt.

Und nur mit ihm findet sich auch das Glück. 

 

 

 

 

"Wenn jemand sucht", sagte Siddhartha, "dann geschieht es leicht, dass sein Auge nur noch das Ding sieht, das es sucht, dass er nichts zu finden, nichts in sich einzulassen vermag, weil er immer nur an das Gesuchte denkt, weil er ein Ziel hat, weil er vom Ziel besessen ist.

 

Suchen heißt: ein Ziel haben

Finden aber heißt: frei sein, offen stehen, kein Ziel haben.

 

Du, Ehrwürdiger, bist vielleicht in der Tat ein Sucher, denn, deinem Ziel nachstrebend, siehst du manches nicht, was nah vor deinen Augen steht."

(Hermann Hesse, Siddhartha)

Publiziert am: Sonntag, 11. April 2021 (748 mal gelesen)
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