"Das Gesetz der Wiederkehr"


 

An jenem Nachmittag hatte sich, während wir ( Paulo Coelho und Petrus, sein Führer auf dem Jakobsweg) in einem Olivenhain rasteten, ein alter Bauer genähert und uns einen Schluck Wein angeboten.

Selbst die Hitze hatte ihn nicht von dem jahrhundertealten Brauch dieser Region abbringen können, seinen Wein zu trinken.
 

»Und wieso wurde dort die Liebe getötet?« fragte ich, denn der Alte schien gern einen Schwatz halten zu wollen.
 

»Vor vielen hundert Jahren beschloß eine Prinzessin, es war Felicia von Aquitanien, bei der Rückkehr von ihrer Pilgerfahrt nach Compostela, allem zu entsagen und sich hier niederzulassen.

Das war die wahre Liebe, denn sie teilte ihr Gut mit den Armen dieser Region und pflegte die Kranken.«
 

Petrus hatte eine seiner scheußlichen Selbstgedrehten angezündet und lauschte, obwohl äußerlich gleichgültig, aufmerksam der Geschichte des Alten.
 

»Dann wurde ihr Bruder, der Herzog Guilhaume, ausgesandt, um sie nach Hause zurückzuholen. Doch Felicia weigerte sich.

Verzweifelt erdolchte sie der Graf in der kleinen Einsiedelei, die man dort in der Ferne sieht und die sie mit ihren eigenen Händen gebaut hatte, um den Armen beizustehen und Gott zu preisen.

Als er wieder bei Sinnen war und begriff, was er getan hatte, ging der Graf nach Rom, um beim Papst um Vergebung zu bitten.

Als Buße verpflichtete ihn der Papst dazu, nach Compostela zu pilgern. Und da geschah etwas Merkwürdiges:

Als er von dort zurückkehrte, verspürte er denselben Drang und ließ sich in der Einsiedelei nieder, die seine Schwester gebaut hatte, und kümmerte sich bis in die letzten Tage seines langen Lebens um die Armen.«
 

»Das ist das Gesetz der Wiederkehr«, lachte Petrus.
 

Der Bauer verstand diese Bemerkung nicht, doch ich wußte genau, was er damit sagen wollte.

Während unserer Wanderung hatten wir lange theologische Streitgespräche über die Beziehung Gottes zu den Menschen geführt.
 

»Das Gesetz der Wiederkehr hat in dem Augenblick gegriffen, als ihr Bruder gezwungen war, ihr Werk fortzuführen, das er unterbrochen hatte.

Alles ist erlaubt. Nur eine Offenbarung der Liebe darf nicht unterbrochen werden.

Geschieht dies, so ist der, der versucht hat, sie zu zerstören, verpflichtet, sie wieder aufzubauen.«
 

Ich erklärte, daß in meinem Land das Gesetz der Wiederkehr bedeutete, daß die Mißbildungen und Krankheiten der Menschen die Strafe für in vergangenen Reinkarnationen begangene Fehler seien.

»Unsinn«, meinte Petrus. »Gott ist nicht die Rache, Gott ist die Liebe. Seine einzige Strafe besteht darin, daß er jemanden zwingt, das Werk fortzuführen, das er unterbrochen hat.«


(P Coelho, Auf dem Jakobsweg, S.62f)




 

Taten der Liebe müssen gescheh'n.

So will es der ALLMÄCHTIGE.

Wer andere daran hindert, sie zu tun,

der muss sie selber tun.
 

 

 

Publiziert am: Samstag, 13. Februar 2021 (686 mal gelesen)
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