der Investiturstreit

Noch Heinrich der Dritte, der zweite Herrscher aus der Dynastie der Salier, hat ganz selbstverständlich aus dem klaren Selbstverständnis der römisch-byzantinischen Kaiser, auch Pontifex Maximus, oberster Priester zu sein, und aus dem Eigenkirchenrecht der Frankenkönige, als höchster Grundherr auch über Kirchengut frei zu verfügen, auf einen Schlag drei Päpste nach eigenem Gutdünken ab- und einen neuen eingesetzt.

Gegen diese Bevormundung der geistlich-geistigen Macht – es gab im frühen und hohen Mittelalter keine von der geistlichen unabhängige geistige – und deren Unterordnung unter die weltliche musste sich die durch Reformbewegungen gestärkte Kirche schließlich erheben, hat sie sich mit Recht gewehrt. Doch es hätte ja gereicht, sich von der Oberherrschaft der Kaisermacht zu befreien, um autonom zu werden, nach dem ihrer Eigenart entsprechenden eigenen Gesetz leben zu können. Doch die Kirche stellte jetzt darüber hinaus ihrerseits einen Führungsanspruch gegenüber allen weltlichen Herrschern auf. Es ging darum, wer letztlich mehr zu sagen, auch dem Anderen etwas zu sagen hatte, der Kaiser oder der Papst. Es ging um den Vor-Rang in der (nur gemeinsam möglichen) Weltherrschaft.
 

"Mit dem Sitz in Rom war der Anspruch auf Herrschaft so notwendig verbunden, dass, sowie ein hervorragender, zur Herrschsucht neigender Mann Papst wurde (der Mönch Hildebrand als Gregor der Siebte), das Gefühl, Nachfolger der Cäsaren zu sein, ihn ergriff. Dann verschmolz die Idee des römischen Weltreiches mit der Idee der Christlichen Weltkirche zu einem Trachten nach Weltherrschaft von fürchterlicher Kraft. Der Papst war dann nicht nur das Oberhaupt der christlichen Kirche, der dem Kaiser das weltliche Schwert zu führen überließ, sondern er war der römische Kaiser römischer Nation, der in dem deutschen Kaiser deutscher Nation einen barbarischen Usurpator sah. 

Nur auf Augenblicke konnten die beiden Gewalten, die gemeinsam die Welt regieren sollten, im schwebenden Gleichgewicht gehalten werden; zu sehr waren die Interessen der beiden Völker, denen sie angehörten, verschieden, zu sehr die Kaiser zugleich Könige der Deutschen, zu sehr die Päpste zugleich Herren von Rom, Cäsaren, Weltherrscher.

Die Kirche zu befreien war ein großes und gutes Ziel; aber (dem Papst) kam es nicht mehr nur auf Freiheit, sondern auf Herrschaft an. Es scheint in der menschlichen Natur begründet zu sein, dass Freiheit unter den Menschen sich selten verwirklichen lässt, was Goethe in den furchtbaren Worten ausgedrückt hat, man müsse Amboss oder Hammer sein (was, lieber Leser, natürlich nicht meine  Sichtweise ist). Die einen Druck abwerfen wollen, trachten gewöhnlich danach, ihn selbst auszuüben; wer die anderen nicht unterwirft, muss fürchten, unterworfen zu werden. Hildebrand, als Papst Gregor VII., erklärte förmlich den Anspruch der Kirche, den Staat zu beherrschen; er begründete das mit der Stellvertretung des allmächtigen Gottes durch den Papst. Nachdem er zunächst die Papstwahl zur alleinigen Sache der Kirche erklärt hatte, was völlig legitim war, kam es als Nächstes darauf an, den kaiserlichen Einfluss auch auf die Wahl der Bischöfe abzustellen. Das wurde vorbereitet durch die Ausdehnung des Begriffs der Simonie (des Kaufs und Verkaufs priesterlicher Ämter durch Laien) auf jeden Eingriff von weltlicher Seite in die Besetzung kirchlicher Stellen. Wären die Bischöfe nichts als Priester gewesen, hätte man diese Auffassung billigen müssen; da sie jedoch auch weltliche Fürsten waren, konnte der König auf das Recht, sie zu ernennen oder bei ihrer Ernennung mit zu wirken, nicht verzichten. Die Bischöfe waren seit der Zeit Ottos des Großen die Stütze des Thrones gewesen; geschickter und gefährlicher konnte der Papst den Kaiser nicht angreifen, als indem er sie ihm entzog, sie ihm im Zweifelsfall zu Gegnern machte."

(Ricarda Huch, Römisches Reich deutscher Nation)

 

Der Kampf begann 1076 in Worms damit, dass Heinrich der Vierte den aufmüpfigen Papst Gegor den Siebten durch eine Bischofssynode absetzen ließ.

Gregors Antwort war der Kirchenbann und die Auflösung des Treueeides, mit dem die Untertanen an den König gebunden waren.

Es folgte bekanntlich der oft zitierte „Gang nach Canossa“, ein geschickter Schachzug des Kaisers, womit er den christlicher Barmherzigkeit verpflichteten Papst zwang, ihn vom Bann los zu sprechen. Nachdem er nach Deutschland zurückgekehrt und dort die Reichsordnung wiederhergestellt hatte, zog der vierte Heinrich mit einem Heer nach Italien und eroberte Rom. Der siebte Gregor musste in die nicht zu erstürmende Engelsburg flüchten und war gezwungen, die Normannen Unteritaliens als rettende Schutztruppe zur Hilfe zu rufen. Doch das Kaisertum hatte damit nur äußerlich gesiegt. In die Köpfe der Menschen waren die Ideen des fanatischen Mönchs Hildebrand eingedrungen, hatten sich dort festgesetzt und ließen sich nicht mehr daraus vertreiben.


 

 

So wie der Streit in Worms begonnen hatte, so fand er hier nach Jahrzehnten eines erbitterten Ringens auch seinen offiziellen Abschluss im Wormser Konkordat von 1122: Kirche und Reich einigten sich auf einen Kompromiss:


Kaiser Heinrich V. akzeptierte den Anspruch der Kirche auf die Investitur mit Ring und Stab, den Symbolen für die geistliche Ehe mit der Kirche und das priesterliche Hirtentum. Die Bischöfe wurden allein durch die Domkapitel gewählt.

Im Gegenzug räumte Papst Calixtus II. ein, dass die Wahl der deutschen Bischöfe und Äbte in Gegenwart kaiserlicher Abgeordneter verhandelt und der Gewählte dann vom Kaiser durch das  Szepter als weltlichem Investitursymbol mit den Hoheitsrechten, die mit seinem geistlichen Amt verbunden waren, belehnt werden solle.

 

Während im deutschen Teil des Kaiserreichs die Verleihung der weltlichen Machtbefugnisse durch den Kaiser vor der Weihe vorgesehen war, erfolgte in Italien und Burgund zunächst die priesterliche Weihe, wodurch dort der Einfluss des Kaisers auf die Einsetzung von Bischöfen praktisch verloren ging.

 

Drei Jahre später starb der letzte Salier ohne männliche Erben. Es folgte die Zeit der Welfen und Staufer. Da das Wormser Konkordat nicht eindeutig formuliert war, viel Spielraum für unterschiedliche Ausdeutungen ließ, und die Investitur ja nur der nahe liegende äußere Anlass, nicht der wesensmäßige Grund für den Streit gewesen war, ging er auch unter diesen Herrschern mit unverminderter Heftigkeit weiter.

 

 

Publiziert am: Dienstag, 18. Februar 2020 (935 mal gelesen)
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