Vom "U" zum "A"

 

Als ich nach einem Pseudonym für den Autor dieser Gedichte suchte, kam ich schließlich an bei dem Namen „Rudolfo Kithera“.

(Warum ich diesen „Scheinnamen“ ausgewählt habe, erzähle ich dir später, lieber Leser.)

Und mir fiel etwas auf:

„Rudolfo Kithera“ enthält alle fünf Grundvokale, und zwar in einer Abfolge vom „U“, das am engsten und am geschlossensten gesprochen wird, zum „A“, dem weitesten und offensten Vokal.

In „Rudolfo Kithera“ steckt ein Weg, ein Weg vom „U“ zum „A“, ein Weg von enger Tiefe (und Höhe!) zu breiter Weite, vom Grund einer Schlucht zu den Galaxien des Weltalls. 





 

Vom Stumpf, den nur noch übrig ließ ein wüster Sturm,

zum wieder ausgeschlag’nen breiten Ahornbaum,

mit einem Stamm, gewaltig, kraftvoll nachgewachsen,

mit prächt’gen Blättern, die im Winde rauschen,

mit seiner Laubeskrone machtvoll herrschend

mitten im neu erstandenen Wald.

 

 

Vom dunklen Spruch ur-würd’ger Runen,

ur-wüchsig und ur-tümlich noch,

aus dumpfem und noch stumpfem Geist,

Ur-Weisheit kündend aus dem Buch der ersten Stunde,

noch nicht gelesen, nicht gesprochen, noch gesungen,

vor jedem Maß der Uhren schon verklungen,

zu klarem Rat und wacher, sicherer Tat,

aus hellem Gegenwartsverstand erstanden,

der alles spaltet mit geschärfter Axt,

aus einem Geist, der achtsam zugewandt

auf alles, was jetzt da ist, ohne Wahl,            

in Dankbarkeit und All-Parteilichkeit.

 

 

Vom Strudel tief im Abgrund einer Schlucht

zu einem glänzend Band durch weites Auenland,

zum Bad an einem breiten, flachen Meeresstrand;

aus einem düsteren Schlund entsprungen,

in eine schroffe Kluft gezwungen,

vom steilen Felsenufer hin

zum feinen, strahlend-weißen Sand.

 

 

Vom hohen Turm der trutz’gen Burg,

die gegen Wunden durch den Schuss der Armbrust schützt,

gegen die Wucht des Speeres in gezieltem Wurf,

und die das Gut behütet gegen Einbruch in der finsteren Stund’,

schweift weit das Auge über die Natur,

All-Vaters farbenreiche Gabe,

auf alles das, was wächst durch seine Gnade,

in Garten, Wald und Ackerland,

auf Hafer, Raps, Akazie, Pampagras,

Kastanienalleen am Straßenrand.

 

 

Von Furcht und Sorgen, Wut und Groll, der tief verwurzelt,

sowie von Schuld und sücht’ger Lust gebunden und gezwungen,

von dem, was Druck verursacht in der eingeengten Brust,

zum freien Atmen, nicht befangen, weit und offen,

wach und klar handelnd in Gelassenheit,

wagend, nicht mehr „ich soll“, „ich muss“,

sondern „ich will“, „ich kann“ zu sagen.

 

 

Im Grunde des Vulkans die rote Glut

ruft denen, die an seinem Fuße wohnen, zu:

„Ihr munteren Luftgeschöpfe, die ihr arglos brütet,

wo Unheil - euer Nest zerstörend - droht:

Seid frei von Furcht, und seid doch auf der Hut!

Dass ich in Ruhe schlummer´, das ist nur ein Trug.

Die Lavaflut, die - alles in ihrem Fluss erstickend -

auf euch herabstürzt durch der Erde Wut,

raubt euch das Leben, bringt den Tod euch,

nicht nur allein Verlust von Hab und Gut.

Wer unter meinem Gruß aus Erdentiefen leben will,

braucht Glück und eine Menge Mut.“

Von dieser Unterwelt, die sorgenvoll bedrückt,

reicht Gottes Schöpfung bis zum Glanz der Galaxien,

die - über jeden Sturm und jede Flut erhaben -

mit ihrem Kranz aus Licht nach allen Seiten strahlen.

 

 

Die Schöpfung reicht von düsteren Totengrüften,

von Kohlegruben und vom dunklen Höhlengrund,

wo Murmeltiere schlummern in der Winterruh',

von stummen Würmern, Muscheln, Flundern, Ottern,

dem Ruf der Unken, die in Sümpfen hüpfen,

über den Krach und Lärm schnatternder Gänsescharen

und den Gesang der Amsel und der Nachtigall

bis zu dem Klang der Sphären und des Schöpfers Lachen,

das ewig durch das ganze Weltall schallt.

 

 

Vom „U“ zum „A“ die Brücke ist gespannt.

Vom mörderischen Schurken, bösen Buben, der

mit Dolch und Büchse sendet einen tötend’ Gruß;

vom Lüstling, der mit blumigen Sprüchen, heuchlerischen Küssen

betört unschuldige Töchter, die - noch allzu jung -

geduldig noch die Schulbank drücken müssen;

vom Luder, das den blöden Tölpel

verführt mit Schwung der Hüften und mit üpp’ger Brust;

vermummten Hooligans, die

-  schon viele Stunden nicht mehr nüchtern -

sich prügeln, ohne Würde und Vernunft,

der Muskelrisse und gebroch’ner Rippen nicht bewusst;

vom Muttersöhnchen, das - verwöhnt -

Hund, Hühner, Kühe quält, aus Übermut und Frust;

von denen, die, nur leise flüsternd wie Verschwörer,

missgünstig tuscheln hinter deinem Rücken,

vor offenen Worten jedoch feig sich drücken;

vom Günstling eines dummen Fürsten, der

den Fluss des Goldes strömen lässt in eigene Truh’n,

mit Lug und Trug sein Geld in trockene Tücher bringt,

die Gulden auf nem Konto in der Schweiz lässt ruh’n;

vom Zögling in der Schule, stur und störrisch,

nur murrend und sich sperrend gegen das, was gut ihm tut,

so dass dem Lehrer ist zuletzt geschwunden jeder Mut;

von Schmugglern, Schummlern, Stümpern, Schnüfflern,

von denen, die in trüben Tümpeln fischen,

im Sündenpfuhl der Hölle wohl sich fühlen,

sich schnorren durch an fremden Tischen,

 

 

über den Vater, der sein Leben wagt,

wenn Frau und Kinder schweben in Gefahr,

den, der beständig wandelt auf dem Pfad der Wahrheit,

der, auch wenn es ihm nicht leicht fällt und für ihn nicht günstig,

offen und ehrlich sagt, wie etwas wirklich war,

ein Schaf, arglos vertrauend auf den all-gewalt’gen Schäfer,

der kraftvoll bahnt den Weg mit seinem Stab,

zu labend frischem Wasser an des Baches Quelle,

ins Tal, wo ’s saft´ges Gras das ganze Jahr lang gab;

den, der von edlem Anstand, Seelenadel,

der Haltung wahrt auch dann, wenn Schmach und Schande naht,

das Schicksal zusticht mit gar spitzer Nadel,

 

 

zu Allahs Allmacht,

die gepaart mit Gnade, mit Erbarmen,

für alles, was von ihm mit Lieb’ erschaffen,

ganz gleich, ob engem „U“ verwandt

oder zum „A“ weit offen passend.


 

Um fair zu bleiben, eine ungerechte Einseitigkeit auszugleichen, will ich ergänzend hier darauf hinweisen, dass in dem Gedicht die positiven Qualitäten des „U“ zu kurz kommen: Nicht nur das in der Tiefe gründende, sondern auch das in die Höhe Ragende, in die Höhe Strebende hat die „Nur“-Qualität des „U“; nicht nur der im Gedicht ja erwähnte hohe Turm, sondern auch die senkrecht in den Himmel schießende Rakete, der Zug auf schmaler Spur und die klare Linie einer Geraden.






 

PS: Als der Kaiser Maximilian, auch Herzog von Österreich, durch kluge Heiratspolitik die Weltmacht seines Hauses, der Habsburger, begründete, folgte er einem Wahlspruch, der auch alle Grundvokale enthält, nur in umgekehrter Reihenfolge:

Alles Erdreich ist Oesterreich untertan.

oder, in lateinischer Fassung:

Austriae est imperare omni universo.

 

 

 

 

Publiziert am: Montag, 11. März 2019 (1048 mal gelesen)
Copyright © by Rudolfo Kithera

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