Paradies und Schlange

 

Erst jetzt,

wo wir uns vertrieben haben aus dem Paradies,

sehen wir,

dass es das Paradies war,

wo wir waren.

 

Und auch jetzt sehen wir das Paradies

nicht, wie es war.

Wir wollen nicht mehr sehen,

dass da auch eine Schlange war -

wie in jedem Paradies.

 

Hätten wir die Schlange doch einfach über-sehen,

einfach überhört!

Wir wären immer noch im Paradies.

Auch jetzt – leider nicht mehr im Paradies -

sind Schlangen da.

Wenn wir sie sehen, doch einfach überhören,

kommen wir zurück ins Paradies. 








Kommentar:

Es gibt ein italienisches „geflügeltes Wort“: „Vedere Napoli e morire“ (Neapel sehen und sterben). Genauso gut oder besser könnte es heißen: „Vedere Amalfi e morire“.
Die Amalfiküste bietet den Augen einen Rausch, so großartig, so einzigartig, dass sich die Frage aufdrängt: „Was gibt es denn jetzt noch, was ich unbedingt gesehen haben muss?“

In der Villa Rufolo von Ravello sah Richard Wagner den Garten des Zauberers Klingsor. Doch Zauberer zaubern nicht umsonst. Rumpelstilzchen fordert von der Müllerstochter einen Preis dafür, dass es Stroh in Gold verwandelt.

Und wer den „Sentiero degli dei“, wandelt, den „Weg der Götter“, ohne wirklich ein Gott zu sein, wird für diese Überheblichkeit bestraft.

Meine Strafe bestand in unzähligen Mückenstichen und einer heftigen Erkältung. (Die Mücken der Amalfiküste waren im Jahr 2016 wirklich hinterlistig und heimtückisch. Sie verrieten sich nicht durch Summen, waren so klein, dass man sie nur schwer entdecken konnte, doch sie waren angriffslustig und ihre Stiche hochgiftig, entzündeten sich leicht und hinterließen große Narben.)

 

In jedem Paradies gibt es mindestens eine Schlange. An der Amalfiküste waren die Mücken nicht die einzige. Es gab noch drei weitere: Steile Treppen, die endlos zu sein scheinen, jede Menge Superreiche, die die Preise verdarben, und überfüllte Busse, wenn man eben nicht zu den Superreichen gehörte und sich ein Taxi leisten konnte, das jedoch auch auf der verstopften Küstenstraße im Stau stecken blieb. Gegen diese Schlangen kann man sich nur schwer schützen – auch dann, wenn man nicht so naiv und unvorsichtig ist, wie wir es waren.

Doch der Garten Klingsors ist so bezaubernd, dass ich den Preis jederzeit erneut bezahlen würde. Und den „Weg der Götter“ zu gehen, ist so beeindruckend und überwältigend, dass ich ihn immer wieder gehen würde. Das Paradies bleibt ja auch mit den Schlangen ein Paradies.

 

 

 

 

 

 

Publiziert am: Samstag, 02. Februar 2019 (1070 mal gelesen)
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