Schlusslicht


 

Valle Gran Rey,

Tal des großen Königs.

Hier steigst du ab,

um auszusteigen.

 

Argayall,

Ort des Lichts,

wo die Welt endet.

Hier hört der Weg auf.

Jetzt bin ich da.

 

 

 

 

 

Kommentar:

 

Argayall ist fast das Ende der Welt; fast - nicht ganz. Wenn man auf den grauen Steinen am Strand sitzt und der Sonne dabei zuschaut, wie sie im Westen untergeht, sieht man sie nicht im Meer versinken, sondern hinter den Bergen von El Hierro. Doch historisch war hier wirklich einmal das Ende der sicheren Vergangenheit und der Beginn einer unsicheren Zukunft. Kolumbus lud auf dieser Insel Proviant und Trinkwasser in seine Schiffe, ließ von hier aus alles bisher Bekannte hinter sich, wagte sich - nicht mehr wissend, nur noch stark glaubend - in das Unbekannte hinaus. Aus einem Brunnen La Gomeras schöpfte er die Tropfen, mit denen er die neuen, von ihm entdeckten Länder taufte.

Ich kam mehr oder weniger zufällig nach La Gomera, ins Valle Gran Rey, nach Argayall, im März 2015. Meine Frau suchte einen preiswerten Flug für unseren Frühjahrsurlaub; und fand einen. Der ging nach Teneriffa Süd. Und da wir an den Massenstränden von Los Christianos nicht bleiben wollten und den „grünen Norden“ schon kannten, kam nur noch La Gomera in Frage. Der Flug ging schon früh. Um halb drei aufstehen, zum Flughafen fahren, Flug von fast fünf Stunden, den Mietwagen abholen, Fahrt zum Hafen, auf die Fähre warten, Überfahrt von einer Stunde, danach noch quer durch die ganze Insel, 1000 Höhenmeter rauf und 1000 wieder runter, noch mehr nach Westen, auf die untergehende Sonne zu. Durch eine beeindruckende Landschaft, die wir aber wegen der Müdigkeit kaum noch aufnehmen konnten. Dann waren wir endlich im Valle Gran Rey, dem Tal des großen Königs, dem König unter den Tälern. „Die Kreuzigung ist die letzte sinnlose Reise“,  steht irgendwo im „Kurs in Wundern“. Das dachte ich, als ich mich mit einem schweren Koffer die paar Treppen zu unserem Ferienhäuschen hochschleppte.

Doch am nächsten Morgen entschädigte schon der erste Blick von der Terrasse für die Strapazen der Anreise: Unzählige Palmen, locker über das ganze, sanft abfallende Tal verteilt. Ein Wunder, ein Paradies. Wir fuhren runter bis zum Ende des Tals, wo die asphaltierte Straße am Hafen von Vueltas endet. Von hier führt, zwischen bunten Fischerbooten und einem 500 Meter hohen Felsen, nur noch eine Staubpiste weiter. Und auch die hört auf am Meditationszentrum Argayall. Hier ist der Weg nun wirklich zu Ende. Hier geht es nicht weiter.

Man könnte auch auf einem anderen Weg nach Argayall kommen; vom Hochland durch eine der tief eingeschnittenen Schluchten. Nach langem Wandern, nach einem steilen Abstieg. Am Ende öffnet sich die Schlucht, weitet sich zum Meer, dem einzigen Meer. Hier liegt Argayall, der „Ort des Lichts“ in der Sprache der Guanchen, der Ureinwohner. Das Zentrum für Meditation, für Menschen, die sich zentrieren wollen. Absteigen, um auszusteigen; um seine Mitte zu finden.

 

Publiziert am: Freitag, 01. Dezember 2017 (1053 mal gelesen)
Copyright © by Rudolfo Kithera

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